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Negativ kann positiv werden

Herman van Veen: das künstlerische Multitalent

00 nov 1988

»Als Künstler kann man die Weltkugel ein bißchen nach links verschieben, bis sie fast aus dem Gleichgewicht gerät. Sie kippt fast von der Bühne, und dann schiebt man sie eben wieder zurück.«


»Wunder Was«, »Unter uns«, »Solange der Vorrat reicht«, »Ich hab’ ein zärtliches Gefühl«, »-Bis hierher und weiter« ... - man kann die Titel von Herman van Veen Platten als Marksteine verstehen oder als Botschaften in einer Zeit, in der Botschaften fast ein wenig verpönt sind. Doch um Zeitgeschmäk-ker hat sich der lange Holländer mit der hohen Billardkugelstirn nie gekümmert.

Er ist der Typ des rastlosen Romantikers, des warmherzigen Menschenfreundes (»laß ihn böse sein und lächle«), der mit offenen Augen durch eine Welt geht, die alles andere als heil ist, in der aber seine Hoffnung und Liebe nicht verloren hat.
»Ich sehe mich als realistischen Pessimist. Da heißt, ich empfinde die Welt als ein perfektes Angebot. Wir müssen dieses Angebot nur nutzen.«
Der Versuch, den 43jährigen Holländer künstlerisch festzulegen, erweist sich sehr schnell als schwieriges, ja fast unlösbares Unterfangen. Ein Clown ist er. und zwar ein guter. Ein Sänger, Musiker, Tänzer, Regisseur, Geschichtenerzähler, Kinderbuch- und seit kurzem auch Comic-Autor.

All diesen Betätigungsfeldern ist jedoch immer Hermanns zutiefst menschliche Einstellung gemein. Der liebenswert naiven Ente Kwak mit ihren großen verschmitzt-traurigen Augen, wie dem Schauspieler, den viele vielleicht noch aus der TV-Serie »Die seltsamen Abenteuer des Herman Van Veen« kennen, einem der wenigen Beispiele für Jugend-und Kindersendungen, die ihr Publikum auch wirklich ernst nehmen.

»Ein Künstler oder Maler, der malt um zu vergessen, um dann wieder malen zu können, und nicht, um etwas zu besitzen.«

Immer wieder, vor allem aber auch in seinen Liedern setzt sich Herman Van Veen mit Machtverhältnissen auseinander, mit Angst, mit falsch verstandenen oder gelehrten Prioritäten im Leben eines jeden einzelnen. Da ist dann Hermann der Sänger, der in seinen Liedern Geschichten erzählt. Nachdenkliche Geschichten über Arbeitslosigkeit (»Ich such ’ne Stelle«), Krebs (»Warum gerade ich?«) oder den Krieg, der dann womöglich gar nicht kommt (»Die Bombe fällt nie«), Lieder allesamt, die nicht platt auf polierten Oberflächen herumkratzen, sondern in die Tiefe gehen, berühren.

»Man darf nicht sagen: Nein gegen Raketen. Nein gegen Amerika. Man muß sagen: Ja für das Leben. Ja für die Seele. Ja für den Menschen.«
Herman Van Veens Lieder können bisweilen schon an die Nieren gehen und doch setzen sie den Umständen ein trotziges »Jetzt erst recht« entgegen, ein »Trotzdem" der Hoffnung und Zuversicht. Das sind Lieder, die sich nicht in larmoyantem Selbstmitleid genügen - und diese Gefahr bestünde durchaus sondern von der Möglichkeit predigen, seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, selbst kreativ zu werden.

»Die Arbeit eines Clowns ist, die Dinge umzudrehen. Negativ kann positiv werden, wenn man es vor einen Spiegel hält.«

Herman van Veens »mobile Zeltkirche« - wie es das Presse-Info so mißverständlich zutreffend formuliert — ist zu so etwas geworden, wie dem warmen Licht im Fenster, das dem durchnäßten, halb erfrorenen Wanderer den Weg nach Hause weist.



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